a) Berichte von Kameraden über die Einkesselung bei Beresani am 24./25. September 1941:
[A1] Divisionsgeschichte der 44. Infanterie-Division
[A2] Divisionsgeschichte der 45. Infanterie-Division
b) Berichte von Kameraden auf der Kriegsschule 1944:
[B] Bericht des Ritterkreuzträgers Lt. d.R. a.D. Sturm
[A1] Divisionsgeschichte der 44. Infanterie-Division:
Am 23.9., 7.00 Uhr, traten die Regimenter zur Fortsetzung des Angriffes an: mit dem rechten Flügel auf Beresani (Ostrand), mit dem linken auf Semjenowka (ausschließlich) zu. Um 8.30 Uhr bekam die Division Nachricht, daß die 168.ID den Bahnhof in Beresani genommen hatte. Die 44.ID erhielt nunmehr Befehl, den Ostteil des Ortes zu nehmen. Die Trennungslinie bildete der Verlauf der Nedra. Die neben der 44.ID angreifende 45.ID verhielt, um das IR 131 herankommen zu lassen.
Eine in den Morgenstunden eingetroffene Meldung berichtete den neuerlichen Durchbruch des Feindes mit stärkeren Kräften bei Baryschweka und über noch feindbesetzte Waldstücke westlich Njedra. Gegen Mittag hatte IR 134 die Kolchose in Richtung Beresani durchschritten, während das IR 132 noch etwas zurückhing. Um diese Zeit traf ein Befehl des Korps ein, wonach die 168.ID nach Baryschewka abzudrehen und die 44.ID den Abschnitt Njedra-Beresani (West) zu übernehmen hatte. An Pz.Jäg.Abt.46 und 3./Pi.80 erging der Auftrag, Jadlowka zu erreichen und zu verhindern, daß der Feind nach Norden abfließe. Nachdem um 18.00 Uhr der Divisionskommandeur dem Kommandierenden General die Säuberung von Beresani-Ost berichten konnte, wurde das IR 134 herausgezogen, mit dem I. und II. Btl. nach Nejdra, mit dem III. nach Kolchose Beresani verlegt. Aber schon um 19.30 Uhr mußte die Division melden, daß ein anscheinend von Baryschewka eingeflossener Feind sich in Beresani-West festgesetzt habe. Bei der noch ungeklärten Lage sei eine Ablösung der in Beresani-Nord liegenden Teile der 168.ID noch nicht durchführbar. Die Division erhielt noch am späten Abend Befehl, Beresani am nächsten Tag ganz zu nehmen und das Gelände zwischen den beiden Sumpfabschnitten westlich und südwestlich davon zu säubern. Die für den 24.9. geplante Ablösung des II./IR 429 in Beresani unterblieb auf Grund der Meldung, daß ein starker Feind sich auf den Ort zu bewege. Im Abschnitt der 168.ID griffen feindliche Kräfte Krupoli an. Anscheinend versuchte der Russe, sich bei Baryschewka nach Norden durchzuschlagen.
Bei diesen sehr unübersichtlichen Kampfhandlungen, die eigentlich allerorts stattfanden, handelte es sich um den verzweifelten Versuch des Gegners, aus dem Kessel von Kiew auszubrechen. Wo immer er eine Lücke fand, stieß der Feind hinein; zurückgeschlagen, versuchte er es an einer anderen Stelle wieder. Die eigenen Angriffsrichtungen mußten daher immer wieder wechseln. Dadurch aber entstand sowohl beim Landser als auch bei der unteren Führung der Eindruck, daß nicht nur der Russe, sondern auch die eigene Truppe in einem Kessel stecke.
Um einen Durchbruch des Feindes über den Nedra-Abschnitt nach Osten zu verhindern, wurde eine zusammengesetzte Abteilung nach Lechnowka in Marsch gesetzt. Dem IR 132 oblag die Sicherung ostwärts der Nedra. Laut Befehl des Komm.Generals hatte die Division den Ostteil von Beresani zu halten, mit einem Regiment anzugreifen und den Feind nach Süden in den Sumpf zu werfen. II./IR 429 wurde dazu der 44.ID unterstellt. An IR 134 erging der Befehl zum Angriff. Das dem Regiment unterstellte III./IR 131 ging nach Lechnowka ab. Die Masse des IR 131 wurde nach Säuberung von Tscherwonny zur Straßen-Bahnkreuzung ostwärts Njedra nachgezogen, während das III./IR 131 zunächst als Flankenschutz hinter IR 134 links rückwärts gestaffelt folgte.
Inzwischen meldete Kommandeur ID 132 (Eibl), daß die erneut in den Südteil Beresani eingedrungenen Russen dort das II./IR 429 zurückgedrängt haben. Nach entsprechender Meldung des Div.Kdr. entschied der Komm.General, den Angriff des verstärkten IR 134 zu unterlassen. Erst nach dem Aufbau einer Abwehrflanke durch die 168.ID und 44.ID in Linie Kornejewka-Njedra mit Front nach Südwesten, sollte ein gemeinsamer Vorstoß nach Süden erfolgen. Das IR 132 war aber schon über die Eisenbahnbrücke hinaus angetreten, konnte nicht mehr angehalten werden und wurde überraschend in seiner linken Flanke vom Feind erfaßt. Ein Gegenangriff führte es nach Beresani-West, wo es sich von einer Übermacht eingeschlossen fand. Um 16.00 Uhr meldete der Rgt.Kdr., daß der Feind nun auch in den Südteil des Ortes eingedrungen sei, in dem 2 Bataillone des IR 130 (45.ID) mit Front nach Süden lagen. Dem Entschluß des Rgt.Kdr., am Bahndamm eine Abwehrlinie zu bilden, erhielt die Genehmigung des Div.Kdr. Dazu kam es indessen nicht mehr, denn der Gegner hatte mittlerweile den Bahndamm nach Norden überschritten. Der Div.Kdr. General Siebert schildert diese gefährliche Lage so:
"24.9. Inzwischen ist der Russe in großen Massen in beide Teile der Ortschaft Beresani eingedrungen und hat alles mehr oder weniger überrannt. Weil anscheinend das Bataillon vom IR 130 nicht mehr im Südteil war, ist der Feind von dort aus in den Rücken gekommen. Leider hat das II./IR 132 nicht gehalten. Ich befehle daher, eine Abwehrflanke zu bilden, da ich bei der Masse der Russen einen Ortskampf für gefährlich halte. Leider hält auch die Flankenbildung nicht. Ich habe inzwischen das III./IR 134 bei der Kolchose eingesetzt und dem Kdr.IR 131 befohlen, eine Abwehrstellung südlich Lechnowka einzunehmen, um erstens die zurückgehenden eigenen Leute und dann den Russen aufzuhalten.
Auf dem Divisionsgefechtsstand finde ich Eibl verwundet. Er war in die Russen hineingefahren und hatte einen Oberschenkelschuß erhalten. Gott sei Dank nicht schwerer Art. Die Nacht verläuft sehr unruhig. Der Ib in Woikowo hat schwere Sorgen, da seine 3000 Gefangenen auch merken, daß etwas nicht in Ordnung ist und zudem die Russen seinen Ort angreifen. Mit den Fahrtruppen verteidigt er diesen und es ist ein besonderer Glücksfall, daß die 3 schweren Geschütze, die wir neuerlich wegen Bespannungsmängel nicht haben mitnehmen können, sich nun hier oben auswirken."
Soweit der Bericht von General Siebert.
Was sich in der Nacht vom 24./25.9. rückwärts bei den Trossen abspielte, beschreibt der damalige Chef der Stabskompanie 131, Hauptmann Heintzel:
"Plötzlich brach hinter uns, wo durch eine versumpfte Bachniederung von den übrigen getrennt die Trosse des III.Btl. und der 13.Kompanie lagen, heftiger Gefechtslärm aus. Schüsse peitschten in rasender Folge durch die Nacht. MGs takten, Geschrei klang auf, das heisere 'Urrä' der Russen, dazwischen das dumpfe Krachen von Handgranaten. Wir waren in der pechschwarzen Nacht zur Untätigkeit verdammt, wenn wir nicht die übrigen Trosse gefährden wollten, und mußten schweigend warten. Der San-Dienstgrad der Stabskompanie wurde neben mir tödlich getroffen. Nach einer uns endlos dünkenden Zeit verstummte allmählich der Gefechtslärm. Wir konnten hören, daß die Russen die Troßfahrzeuge aufbrachen und plünderten. Nun schoß es auch am Nordrand unseres 'Igels', wo der Reiterzug sicherte. Bald meldete der Zugführer, daß er einen feindlichen Vorstoß abgewiesen habe. Er habe mit einem Stoßtrupp nachgefühlt und dabei im Nordteil des Dorfes starke Marschbewegungen in West-Ost-Richtung festgestellt. Die übrigen Trosse meldeten regelmäßig 'Nichts Neues'. So verging langsam die Nacht.
In den frühen Morgenstunden des 25.9. vermochte der Feind mit schwachen Teilen nach Osten durchzubrechen. Die Aufklärung ergab, daß er auf der Straße Beresani-Jagotin, mit der Masse aber auf der Straße nördlich davon, nach Nordosten abfloß. Nun trat das IR 131 um 11.00 Uhr zum Angriff nach Süden an; unter teilweise starker Gegenwehr erreichte es gegen 15.00 Uhr die Bahnlinie. Das eine Stunde später angetretene IR 134 traf zur gleichen Zeit am Bahndamm ein. II./IR 132 und III./IR 131 werden an den linken Flügel des IR 131 links rückwärts gestaffelt verschoben. Am Bahndamm wurden die Regimenter angehalten, da in Beresani nunmehr Verbände von 3 Divisionen lagen, die in der ruhig verlaufenen Nacht geordnet werden konnten.
Am frühen Morgen drang das III./IR 131 in Beresanka ein und ermöglichte dadurch, das I. und II.Btl. noch bei Tageslicht auf Tscherewki anzusetzen. Zur gleichen Zeit erfolgte die Säugerung Beresanis durch das IR 132 und Teile des IR 134 in Verbindung mit der 168.ID und 45.ID."
[A2] Divisionsgeschichte der 45. Infanterie-Division:
Die Masse der eingeschlossenen russischen Streitkräfte konzentrierte sich auf immer engerem Raum zu beiden Seiten der Bahnlinie Kiew-Poltawa. Zur Zeit unseres Eintreffens bei Priluki war der Kessel bereits bis zu einem Durchmesser von rund vierzig Kilometer eingedrückt und erstreckte sich zwischen den Orten Krupol im Norden, Baryschewka im Westen, Perejasslawl im Süden und Jagotin im Osten. Die Bahn lief ziemlich genau in der Mitte durch. Die so bedeutende Verkürzung der Einschließungsfront machte den größten Teil der bisher beteiligten Truppen frei. Im Westen blieb diese letzte Phase der Schlacht nunmehr der 6.Armee vorbehalten. Während unsere 2.Armee in ihren zuständigen Mittelabschnitt zurückging, wurde die 45.ID aus ihrem Verbande herausgelöst und im Rahmen des LI.AK der 6.Armee und damit der Heeresgruppe 'Süd' zugeteilt. Schließlich waren es acht Infanterie-Divisionen (44., 45., 62., 79., 111., 134., 168. und 298.ID), denen die schwere Aufgabe übertragen wurde, den dicht massierten Feind in beispiellos blutigem und härtestem Ringen zur Kapitulation zu zwingen.
Die übrige Division traf tags darauf, am 21.9., im Raume von Jagotin ein, baute einen starken Brückenkopf auf und stellte sich bereit, ihren Angriff in westlicher Richtung in die Bewegungen des Gegners hineinzutragen. Der Russe kam jedoch zuvor und versuchte am frühen Morgen des 22.9., noch ehe unser Aufmarsch beendet war, einen ungemein rasanten und schweren Durchbruch nach Osten. Unser rechter Flügel, das I./IR 133, erlebte die erste Wucht des Schlages mit einem Masseneinsatz von Menschen, wie er bisher unbekannt war. Eine Kavallerieattacke, die mit wahnwitziger Rücksichtslosigkeit gegen unser rasendes MG-Feuer geritten wurde, bildete die Einleitung. In sausendem Vorbeigalopp trafen die scharf geschliffenen Waffen der wilden Kavalkade einzelne unserer Männer mit einer derartigen Wucht, daß ihnen der Kopf durch den Stahlhelm hindurch gespalten wurde. Kleiner Teile einer Schwadron, denen es gelungen war, durchzubrechen, kamen bis zur Nordwestspitze des Sees von Jagotin und konnten erst in der Nähe des Divisionsgefechtsstandes vernichtet werden. Unmittelbar nach der Attacke folgte ein dicht massierter Infanterieangriff in drei Wellen mit schwerer Artillerieunterstützung. Um den Nachdruck weiter zu steigern, fuhren zu gleicher Zeit nicht weniger als vier Panzerzüge und drei vollbesetzte Transportzüge auf unseren Brückenkopf zu. Glückerlicherweise hatten unsere Pioniere schon vorher den Bahnkörper gründlich gesprengt, so daß die Züge haltmachen mußten. Da begann der Feind einfach, im offenen Felde direkt vor unserem Linien zu entladen und beiderseits des Bahndammes einen Angriff in ungeordneten, dichten Haufen auf den Bahnhof von Perejaslawskaja vorzutreiben, wo das IR 130, Artillerieeinheiten und die der Division unterstellte PzJgAbt. 652 ihre Stellungen bezogen hatten. Unsere Männer bereiteten diesen vorwärtsdrängenden Feindgruppen mit Artillerie, Pak, MG und allen Infanteriewaffen in höchster Feuersteigerung einen so mörderischen Empfang, daß sich die Toten in unvorstellbarer Masse längs des Bahndammes geradezu auftürmten. Auch uniformierte Frauen befanden sich unter den Gefallenen. Von der gesamten Besatzung der Züge erreichte außer einigen Gefangenen niemand unsere Linie.
Inzwischen begann die 44.ID, nordwestlich von unserem Brückenkopf den Feind von Norden anzugreifen. Die dadurch abgedrängten Massen belasteten neuerdings unseren ohnedies schwer ringenden rechten Flügel und drohten zeitweise ernstlich, die Stellungen zu überrennen. Erst allmählich gelang es, zum Teil in erbitterten Nahkampf, einen gefährlichen Einbruch zu verhindern. Es traten dabei auch bei uns erhebliche Verluste ein. Links von uns versuchte die 134.ID im Laufe des Nachmittages von Südosten her in den Feindraum hineinzustoßen.
Während also der erste Tag des Einsatzes bei Jagotin mit schwersten Abwehrkämpfen für unsere Truppen ausgefüllt war, begann die Division am nächsten Tag, am 23.9., ihren von vornherein geplanten Angriff nach Westen durchzuführen. Es ging überraschend gut vorwärts und noch am Vormittag war der Ostteil von Beresani erreicht. Dabei brachte die Truppe über 1000 Gefangene ein und eine unübersehbare Beute aus tags zuvor vernichteten Panzer- und Transportzügen, wie Waffen, Munition, Verpflegung, 35 Geschütze und Fahrzeuge aller Art. Am Nachmittag schwenkte der linke Flügel der Division nach Südwesten ab und stieß vornehmlich mit dem IR 135 in das große Waldgebiet hinein, das sich südlich von Beresani bis zum Trubjesh-Fluß hinzog. Hier zeigte sich abermals so starker Feind, daß ein weiteres Eindringen zunächst abgestoppt werden mußte.
Der 24.9. brachte eine Reihe von peinlichen Überraschungen. Nach dem Abschwenken der 45.ID am vergangenen Tage in Richtung südlich von Beresani, hätte die 44.ID, von Norden kommend, in den Ort hineinstoßen sollen. Sie war jedoch durch anderweitige Kämpfe aufgehalten und konnte Beresani erst am späten Nachmittag erreichen. Inzwischen stieß der Feind wieder ostwärts über den Ort hinaus, überrannte unsere Vorausabteilung 45, umzingelte ein Bataillon der 44.ID, das eben eingetroffen war, und richtete schwere Angriffe gegen das vor dem Ort liegende IR 130, besonders auf die Kreuzung der Eisenbahn mit der Straße. Wohl wurde er nach starken Verlusten gezwungen, nordwärts abzudrehen, aber damit war die Gefahr nicht beseitigt, im Gegenteil. Die Masse der 44.ID war in ihrem Abschnitt nach wie vor sehr engagiert, daß sie noch immer nicht die notwendige Verbindung zur 45.ID herstellen konnte. Dadurch klaffte zwischen beiden Divisionen eine Zeitlang eine tiefe Lücke. Ausgerechnet hier gerieten größerer Feindteile infolge aufgezwungener Änderung ihrer Stoßrichtung hinein und fluteten nun im Rücken unserer Regimenter fast ungehindert abermals bis an Jagotin heran. Dort werkte der eingedrungene Feind hinter den Linien stellenweise wüst herum, überfiel Trosse und griff Artilleriestellungen an...
[B] Bericht des Ritterkreuzträgers Lt. d.R. a.D. Sturm:
Hans Sturm wurde am 29. Juli 1920 in Dortmund geboren. Nachdem er 1940 eingezogen worden war, erhielt er bereits als Gefreiter am 26. September 1942 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes und wenig später das Deutsche Kreuz in Gold. Vom Juni bis September 1944 war er gemeinsam mit meinem Großvater auf der Kriegsschule in Hagenau und wurde mit ihm am 1. September 1944 zum Leutnant der Reserve befördert. Am 2. Mai 1945 kam er in Berlin in russische Kriegsgefangenschaft. Am 10. Oktober 1953 wurde Hans Sturm, der im Krieg fünfmal verwundet worden war, endlich in die Heimat entlassen. Leutnant d.R. a.D. Hans Sturm verstarb am 11. Dezember 2004 in seiner Geburtsstadt Dortmund.
Das Bild zeigt Sturm als Leutnant kurz nach der Beförderung in Hagenau im September 1944.
In Sturms Widmungsbuch findet sich folgender Eintrag meines Großvaters:
Drum gab uns den kühnen Mut, den Zorn der freien Rede,
daß wir beständen bis aufs Blut, bis in den Tod die Fehde.
Zur Erinnerung an unsere gemeinsame Kriegsschulzeit
Hagenau, Sept. 1944 Radkovsky.
Der hier aufgeführte Bericht ist ein Auszug aus Sturms Autobiographie mit dem Titel: "Hans Sturm - Seine Kriegserlebnisse und die langen Jahre der Gefangenschaft", Seite 254-267:
Hagenau im Elsaß besaß zwei Kriegsschulen. Mitte Juni 1944 mußte sich Sturm an der Schule II, geführt von Oberstlt. Hack, melden. Sturms Kompanieführer wurde Hptm. Ernst Conrad, Abteilungsführer Lt. Brundt.
Die Schule I wurde von Gen.-Lt. Regener geleitet, der zugleich für beide Schulen weisungsberechtigt war.
Fw. Sturm war an der Schule der einzige Ritterkreuzträger. Er wurde zum Schulsprecher für beide Schulen ernannt, womit er verpflichtet wurde, jeden Montag um 12.00 Uhr zum Rapport bei Gen.-Lt. Regener anzutreten, um Wünsche, Verbesserungen oder gar Beschwerden der Fahnenjunker vorzutragen; dabei ergaben sich auch persönliche Gespräche zwischen beiden Männern.
[...]
Der Dienst an der Kriegsschule verlief in vorbestimmten Bahnen. Mit Taktikunterricht, Geländedienst, Waffenübungen bis hin zu sportlichen Betätigungen waren die Fahnenjunker den ganzen Tag beschäftigt.
Die gemeinsam verbrachte Zeit, auch nach Dienstende, festigte die Kameradschaft. Die sogenannte Freizeit mußte genutzt werden, um Gegenstände verschiedenster Art durchzusprechen und in Ausarbeitungen schriftlich niederzulegen.
Für private Unterhaltungen oder Briefe an die Angehörigen war nur wenig Zeit übrig.
Trotzdem blieb es nicht aus, daß er von seinen Stubenkameraden nach seinen Erlebnissen gefragt wurde, die er, wenn auch in gekürzter Form, beantwortete.
Im Taktikunterricht konnte Sturm aufgrund seiner Erfahrungen, aber auch durch den ihm eigenen, besonderen Sinn für die verschiedensten Lagen, sei es Verteidigung oder Angriff, usw., sehr schnell und richtig beurteilen, was sich sowohl auf die Übungen am Sandkasten als auch im freien Gelände bezog.
Es ging darum, geplant, geschickt zu handeln, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Man mußte bei den Übungen seine Ansicht gut begründen, um von dem Taktiklehrer eine gute Note zu bekommen. Aber erst die Praxis hätte beweisen können, inwieweit man Recht behalten hätte. - Sturm nämlich hatte Situationen er- und vor allem überlebt, die keine Zeit für Planungen, sondern nur für zielgerichtetes Handeln zuließen. Nur eine Instinkthandlung, eine kaum zu erklärende Reaktion hatte damals Sturm den entscheidenden Erfolg gebracht, der schließlich zur Verleihung des Ritterkreuzes geführt hatte.
[...]
Am Abend des 21.07.1944 saßen Sturm und vier weitere Fahnenjunker zusammen, um eine Übung durchzusprechen, die am übernächsten Tag mit der Inspektion in einem dafür vom Inspektions-Chef bestimmten Gelände durchgeführt werden sollte. Diese Übungen mußten dem Gelände entsprechend ausgearbeitet werden. Eine Abteilung der Inspektion stellte den Feind dar, die zwei anderen mußten den Gegenangriff durchführen. Das Übungsgelände in Hagenau war begrenzt und mußte von beiden Kriegsschulen, den Inspektionen und ihren Abteilungen nach einem genauen Terminplan genutzt werden.
Sturm war Leitender, einer war Hilfsleitender und die drei anderen waren als Schiedsrichter vorgesehen. Alle waren tagsüber mit Fahrrädern im Geländegebiet unterwegs gewesen um die Übung, die Sturm und sein Vertreter ausgearbeitet hatten, nochmals einer Überprüfung zu unterziehen; eine kleine Änderung mußte noch eingebracht werden.
Die Übung war so angelegt, daß mit der Inspektion ein in Kompaniestärke eingebrochener Feind im Zangenangriff niedergekämpft, vernichtet und im Gegenangriff das verlorene Gelände zurückerobert werden sollte.
Die fünf Fahnenjunker gönnten sich, nach erfolgversprechender Vorbereitung der Übung, einige Schoppen Wein - und waren in bester Stimmung.
[...]
Der Fhj.-Fw. hatte am 29.07.1944 die Gefechtsübung mit der Inspektion durchgeführt, die er vorbereitet hatte, aber verschoben worden war. [...] Die Übung war mit voller Anerkennung für alle Beteiligten vom Schulleiter Oberstlt. Hack, dem Inspektions-Chef Hptm. Conrad und Abteilungsführer Lt. Brundt durchgeführt worden.
[...]
Sturm konnte mehr Freizeit für sich "herausschinden", weil er es übernommen hatte, einen Abteilungsabend vorzubereiten und zu gestalten, der in diese Woche fiel. Gemeinsam besuchten sie eine Brauerei in Schweighausen, die dann einen Saal zur Verfügung stellte und auch für die nötigen Getränke sorgte. Die Abendmahlzeit ("Nudeln mit Gulasch") kam aus einer Feldküche, Vor- und Nachspeisen wurden von der Landesfrauenschaft zur Verfügung gestellt, die auch zusammen mit BDM-Mädchen für die Ausschmückung des Saales sorgte. Es wurde ein vergnüglicher Abend, denn aus verschiedenen Quellen waren auch noch zusätzliche Getränke "gesprudelt".
Alle Beteiligten, Fahnenjunker und Gäste, waren mit dem Ablauf des Abteilungsabends mehr als zufrieden. Lt. Brundt bedankte sich mit einschlägigen Worten.
[...]
Weil sich das Bild der Lage [an der Westfront] täglich, bisweilen sogar stündlich änderte und nur spärliche Nachrichten bis nach Hagenau drangen, versuchte General Regener, sich anhand einiger großer Wandkarten kundig zu machen. Es gab mehrere Lagebesprechungen mit Oberstlt. Hack, den Inspektions-Chefs und mit den Abteilungs-Führern.
Vom FHQ war für die Kriegsschulen Alarmbereitschaft befohlen worden. Das hieß: auf ein Stichwort hin, mußten die Kriegsschulen innerhalb von 12 Stunden feldmarschmäßig ausgerüstet und mit scharfer Munition als reine Infanteriekompanien, ohne jedoch über schwere Waffen, 8-cm-Granatwerfer und schwere Maschinengewehre zu verfügen, voll einsatzbereit stehen.
[...]
In Hagenau war inzwischen für die Kriegsschulen das Alarmstichwort: "Gneisenau" gefallen. In kürzester Zeit waren die Infanteriekompanien formiert und zum Einsatze bereit.
Die großen Verluste der Kriegsschule Metz waren der Grund, wieso "im letzten Moment" von der Alarmbereitschaft der Schulen von Hagenau Abstand genommen wurde. Es war eine logische Folge, so man Unteroffizier-, Feldwebel- und Oberfeldwebel-Fahnenjunker als einfache Soldaten eingesetzt hatte, daß diese ihren Kampf bis zur blutigen Entscheidung ausfochten.
Sturm und seine Kameraden waren froh, daß das FHQ den Einsatzbefehl zurückgestellt hatte. Ein weiterer Befehl verlangte die Auflösung der Kriegsschulen von Hagenau sowie eine vorzeitige Beförderung der Fahnenjunker, entsprechend ihren Leistungen und Beurteilungen. Ein Drittel wurde demnach schon nach ungefähr zwei Monaten zum Leutnant befördert, wobei deren Einsatz an den verschiedenen Fronten bewertet wurde. Ein größerer Teil wurde zur Beförderung bei ihren Truppenteilen empfohlen und der "Rest" ging ohne eine Empfehlung zu einer Leutnantsbeförderung zurück.
Bei der Verabschiedung bedankte sich Lt. Sturm bei General Regener, dem Leiter der beiden Kriegsschulen, bei Hauptmann Conrad, seinem Inspektions-Chef, und seinem Abteilungsführer Lt. Brundt.
[...]
Die Stimmung bei der Abschlußfeier, die Anfang September 1944 stattfand, war durch das Gedenken an die vielen gefallenen, verwundeten und in Gefangenschaft geratenen Kameraden der Kriegsschule Metz, aber auch durch die unterschiedlichen Beförderungen bzw. Beurteilungen der Fahnenjunker etwas getrübt.
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