Erinnerungen des Leutnants d.R. Wilhelm Radkovsky 1940 - 1945

1940:
29.8.
Von Lauban (Schlesien), wo ich ½ Jahr im IEB 318 ausgebildet wurde, per Bahn über Kohlfurt, Sagan, Glogau, Fraustadt (ehem. Grenzstadt zu Polen), Lissa, Ostrowo, Kalisch nach Lodz. Am 31. weiter über Piliza nach Koluschki, wo wir auswaggoniert werden. Fußmarsch nach Süden über Novo Kamiensk, Radomsko, über die Warthe nach Czenstochau. In der Nord-Kaserne liegen wir bis 25.3.41. Manöver mit 60 km Tagesmärschen auf schlechtesten Wegen bei Dauerregen, Eis und Schnee. Vom 25.12. bis 15.1.41 Heimaturlaub. Nach Rückkehr bin ich öfter allein auf Skiern bis zur Warthe unterwegs.

1941:
26.3.
Marsch Richtung Osten über Radomsko, Czermno, Konskie, Kamienna bis Kloster Wachock. Hier wieder Übungen (ganzen Tag ohne Essen, 1 Stunde durch knietiefes Wasser marschiert) bis Ende Mai.
6.6.
Von Wachock nach Osten über Ostrowiec, Gojacz mit viel motor. Truppen über die Weichsel nach Annopol, auf sehr schlechten Wegen über Krasnik, durch Wälder, die ein riesiges Munitions- und Treibstofflager sind, über Piasky, Stary Samosz nach Hrubieszow. Ab 20.6. feuerfrei auf russische und finnische Flugzeuge.
24.6.
Schweres Artilleriefeuer und der Donner über uns Richtung Rowno und Kowel fliegender Flugzeuge wecken uns am 22. Vor uns kämpfen die motorisierten Verbände, und wir ziehen durch unwegsames Gelände in einem 12-Stundenmarsch zum Bug. Um 24 Uhr gehts am 23. über den Bug, an Bunkerstellungen mit verkohlten Leichen, Massengräbern der Russen und unserer Soldaten vorbei. Erste Artillerie- und Fliegerangriffe der Russen.
26.6.
Um 12 Uhr Stoßtruppzug von Freiwilligen gegen ein Dorf mit Bunkerstellung. Über einen Bach hinauf zu den Befestigungen. Plötzlich steh ich in einer Schneise im Kornfeld 30 m vor einem Bunker, 15 m seitlich taucht ein Russe auf, schießt an mir vorbei. Ich kann nicht zurückschießen (MP hat Ladehemmung), hau mich hin und schrei um Feuerschutz, über mich peitschen die Schüsse der Kameraden. Ich richte mich auf, wieder ein Russe vor mir, meine MP funktioniert. Nun hinauf zum Bunker, wo wieder Russen stehen, Dauerfeuer aus meiner MP, ich springe zur Schießscharte des Bunkers und feuere hinein. Betend, jammernd und zitternd kommen Zivilisten heraus und knien sich zum Sterben hin, darunter auch eine junge Mutter mit Kind. Ich lasse die Leute in Sicherheit laufen. Die Häuser sind in Brand geschossen, Vieh läuft wild durch die Gegend oder verbrennt unter scheußlichem Gestank in den Ställen. Wir stoßen bis zur Straße durch, wo gefallene Kameraden einer Fahrrad-Vorausabteilung liegen. Um 13:15 Uhr wird der Rückzug befohlen. Am ersten Bunker haut eine PAK-Granate neben mir ein, Splitter fliegen um mich, wir rennen den Hang hinunter im Granatfeuer der Russen, zwei Einschläge so nah, daß mich der Luftdruck fast aushebt, ich renne um mein Leben, endlich der Bach und danach ein Kornfeld und unsere Stellungen. Ich bin klatschnaß, Lippen verkrustet und weißer Schaum vorm Mund in dem fast schwarzen Gesicht - aber ich habe den ersten Kampf und die Feuertaufe überlebt. Das war bei Kuczkow.
Am 29.6. werfen wir die Russen von der Bahnstrecke nach Lemberg in die Wälder zurück. Die Ukrainer sind freundlich, begrüßen uns wie Befreier, bauen Triumphbogen, werfen uns Blumen zu und stehen mit Brot und Salz an den Straßen. Wir sind in Druszpol am Kessel Lemberg, Stanislau, Przemysl beteiligt. Marschieren in Richtung Rowno, bei Kozin hat ein russ. Panzervorstoß viele Kfz. von uns vernichtet. Bei Werba ein Massengrab russ. Panzer und einer Nachschubkolonne von uns. Bei Kozin ist der Russe aus dem Kessel durchgebrochen und hat unseren Troß (Nachschub- und Bäckereikompanie) vollkommen aufgerieben. Verstümmelte Kameraden (gefesselt mit eingeschlagenem Schädel), verstreut das Zeug aus unseren Nachschubwagen, so ließen die Russen bei unserem Angriff alles stehn und liegen
6.7.
Seit 3 Tagen kämmen wir die Wälder zwischen Werba und Dubno durch, ohne Verpflegung und nur auf uns gestellt. In einem Wald stoßen wir auf eine Unmenge von Panzern und LKW der Russen. 3 Tage sichern wir die Beute, darunter Pläne der russ. Panzerdivisionen, die Stellungen gegen Deutschland und Rumänien bezogen hatten. Die Russen sind dann in die Seitensicherungen unseres Vormarsches gestoßen, bei Werba von uns schwer geschlagen zurück in die Wälder geflohen. Am 5.7. hatten sie bei Kozin unser erstes Batln., die Ari und Flak vollkommen vernichtet. Unsere Infanterie lag zu weit weg, Div. und Regts.-Kommandeur wurden ihrer Stellung enthoben.
10.7.
Wir marschieren, oft bis zum Koppel im Wasser, Richtung Dubno, 20 km lang ein einziges Massengrab von russ. Panzern, Geschützen, LKWs, es stinkt nach Leichen und ausgebrannten Häusern. In Dubno selbst eine Unmenge Militär, Lazarette und Nachschub. Weiter gehts durch Sumpf (Wasser in den Stiefeln, wunde Füße, Hitze, Hunger), ein Leidensweg Chomut, Hulcza nach Ostrog (vollkommen zerstört, Gefangenenlager).Wir marschieren weiter nach Schepetovka. Ich bekomme die 10. Gruppe.
15.7.
Für den Einsatz beim Stoßtrupp auf Kuczkow am 26.6. erhalte ich mit unserem Zugführer als einziger Gefreiter das EK II.
19.7.
Nach Tagemärschen von 40 bis 60 km bei unheimlicher Hitze, ohne Essen und Trinken, erreichen wir Schitomir, nur noch 100 km von Kiew entfernt. Auf der Rollbahn Nord ziehen unsere Kolonnen (eine ganze Panzerdivision, schwere Artillerie und SS) nach Westen, wir über Teterew nach Osten.
22.7.
Wir liegen 42 km vor Kiew, der Russe bricht auf der Rollbahn durch, wir ziehen durch Sumpf und Felder bis 20 km vor Kiew.
23.7.
Wir haben die SS-Leibstandarte A.H. in den vordersten Stellungen am Irpen-Fluß gegenüber der Stalin-Linie (über 100 Geschütze und Bunker, auf alles was sich rührt wird geschossen) abgelöst. Wir sollen den Kessel Kiew von Westen geschlossen halten.
24.7.
Die Russen haben den Abzug der starken SS-Verbände bemerkt und wissen (im Gegensatz zu uns!), daß unser Regiment von der Division abgeschnitten ist. Mit 2 Kompanien greifen sie unsere 2 Züge an, um mich hauen die Granaten von Artillerie, Pak und Minenwerfer ein, oft nur 3 m von unserem Erdloch entfernt, die Decke stürzt ein. Spähtrupps weit nach vorne, Angriffe der Russen, neue Stellungen, Fliegerkämpfe und Angriffe unserer Bomber bestimmen die nächste Zeit.
1.-31.8.
Ich wurde zum Unteroffizier befördert. Immer wieder Angriffe der Russen, die bis auf 15 m an unsere Stellungen herankommen, sehr anstrengender und gefährlicher Nachtdienst, Vorstöße bis an den Irpen nach Gorenitschi. Dazu Arifeuer, man kann aus dem Erdloch nicht heraus um tagsüber die Hosen runter zu lassen. Mich hätt´s dabei fast erwischt. Ich kann froh sein, daß ich diesen Monat an der Irpen-Front überlebt habe.
3.9.
Abgelöst von der Irpen-Front, zurück nach Makarow. Wir beziehen ein leerstehendes Haus, Nachbarn kümmern sich um uns (Hühnerfleisch mit Kartoffeln), in´s Frontkino 24 km Marsch.
11.-17.9.
Auf der Korpsstraße Ost über die Bahnlinie Kiew-Korosten nach Abramowka, auf Notbrücke über den Teterew nach Iwankow (Gefangenenkolonnen ziehen vorbei), wir in Viererreihen zum Dnjepr (400 m breit/25 m tief), Fahrzeuge bleiben im Dreck stecken.
19.9.
Weiter nach Osten, auf einer Pontonbrücke über die Djesna nach Beresani. Wir sind Spitze der Division, schließen 96 km kämpfend und marschierend den Kessel Kiew von Osten (5 russische Armeen eingekesselt, 700.000 Gefangene). Wir leben von rohem Kraut mit Schnecken und Kürbis, da kein Nachschub, trotzdem 20 Stunden Marsch.
23.-25.9.
Wir halten einen breiten Abschnitt, machen unheimlich viel Gefangene, haben schon mehrere Kompanien entwaffnet, wir schießen nicht mehr, entwaffnen bloß. Am 24. mittags müssen wir gegen einen starken russ. Angriff vorgehen. MG fällt aus, ich treibe die Russen mit meiner MP zurück. Mir geht die Munition aus, rechts von uns läuft der 2. Zug zurück, ebenso der 3. Zug, um uns ein Kugelhagel. Auf die Russen feuernd zieh ich meinen Zug zu einer Kolchose zurück. Die Erde vor uns ist schwarz von den angreifenden Russen, da kommt der Befehl zum Rückzug. Ich laufe um mein Leben, halte die Reste des 2. und 3. Zuges an, gehe damit nochmals in Stellung, seitwärts brennen die Häuser. Laufe zurück bis zur Artillerie, bekomme Munition und gehe wieder vor. Mit ein paar Mann von unserer Kompanie, einem Infanterie-Geschütz und einer Pak igeln wir uns am Dorfrand ein. Bei einem Spähtrupp sehe ich plötzlich in 3 Russengewehre, geh in Deckung, schieße, nehme die 3 Russen gefangen. Knapp am Tod vorbei. 2 Nächte liegen wir, weit weg von unserer Truppe in dem Igel. Am Bahndamm ziehen die Russen in dichten Scharen nach Osten - uns mangelt es an Munition. Endlich kommen Sturmgeschütze, mit denen wir die alten Stellungen zurückerobern. Viele Kameraden tot, von unserem Zug allein 20, unser Kompaniechef mit 4 anderen Offizieren auch.
26.9.
Die Toten beerdigt. Was 2 Regimenter bis zum 25.9. sollten, hat unser Bataillon bereits am 23. erreicht. Der Blutzoll war hoch. Das waren die Tage von Beresani!
27.9.
Zu meinem 27. Geburtstag ein tolles Gefecht. Im dichten Wald, oft bis zur Brust im Wasser, kämpfen wir gegen ein Frauen-Batl., machen im Nahkampf viele Gefangene. So geht´s bis zum 30.9.
30.9.
Es geht über Nedra weiter nach Osten, haufenweise tote Russen an Geschützen, tote Pferde, Munition alles durcheinander, aber auch 100 Holzkreuze deutscher Soldaten.
2.10.
Ich werde von meiner Gruppe abgelöst, werde Zugtruppführer.
3.-5.10.
Über Priluki und Romny nach Osten. Es ist kalt geworden, wir frieren, weil keine Winterbekleidung da ist.
7./8.10.
Im Arifeuer, durch Minensperren greifen wir Petrikovy Gory und Pavelkav an. In einer Schlucht fallen unser neuer Kompaniechef und unser Zugführer Feldwebel Rektorschik (aus Brosdorf Krs. Neutitschein) im Arifeuer. Ich übernehme den Zug unter tollem Gewehrfeuer.
9.-11.10.
Der Angriff der letzten Tage geht bei Regen und Schnee weiter über Istorop hinaus. Ich bekomme den Auftrag, mit meinem Zug 8 km vor der Front einen Bahnübergang zu nehmen und zu halten. Besonderes Lob vom Batailloner und Regimenter.
13.-16.10.
Über Gudimova und Widnevko mit kleineren Kämpfen nach Leninez. Wir braten Gänse, leben von Wurst, Eiern, Butter, Honig, Zucker.
17.10.
Bei einem Nachtangriff auf Pocajevo frieren wir nach Regen und Schnee mit Kleidung und Stahlhelm am Boden an.
19.-21.10.
Über Kassilowa, dem Regiment 4 Tage voraus, nach Osten weiter. Ein Leidensweg für mich, habe eine Drüsenentzündung durch kaputte Stiefel, muß beim Troß aufsitzen.
22.-25.10.
Bei Lomnaje schweres Art.-Feuer, dann über die Worskla nach Striguny, Tomarowka, Bolchowez im knietiefen Dreck und Sand nach Belgorod (früher 50.000 jetzt nur 20.000 Einwohner, dörflicher Charakter, ohne Wasserleitung, freundliche Einwohner).
31.10.
25 km nach Norden, dann nach Osten bis Wisloje an der Bahnlinie Charkow-Kursk-Moskau. Nach 6 Wochen kann wieder geschrieben werden.
8.11.
Nach Norden bis Gostitschewo, wo wir Dauerquartier beziehen. Wir sichern die Bahnlinie und die Donezübergänge.
9.-13.11.
Spezialaufgabe für mich. Ich soll mit meinem Zug mehrere Tage 18 km vor die Donezfront stoßen um Verpflegung zu organisieren. Über Pletnikov gehts nach Oljschanez, wir igeln uns ein. Am 10. weiter nach Kasatschje. Gefangene berichten, daß 6 km seitwärts von Oljschanez 1 Regiment Reiterei und 15 km ostwärts eine Division liegen. Mit 70 Schafen, 2 Wagen voll Getreide, Kartoffeln und Bohnen zurück zu unserer Donezfront. Gleich wieder mit der Kompanie nach Oljschanez. Südlich davon marschiert ein Batl. Russen nach Westen. Wir werden nachts eingekesselt, brechen morgens nach Nordost durch und sind am 12. wieder am Donez. Ich bekomme Auftrag, nochmals in Oljschanez Feindstärke fest zu stellen. Dort zwingt mich tolles Feuer zum Rückzug. Am 13. mit den Viechern nach Gostitschewo zurück.
14.11.
Ein eigenes Flugzeug bombardiert uns (Krater wie ein Haus).
16.11.
Gegenstoß mit meinem Zug über den Donez gegen starke Russenkräfte.
18.11.
Wir beziehen unsere neue Verteidigungsstellung am Donez. Ein sehr breiter Abschnitt, mir sind 2 SMG unterstellt.
22.11.
Starker Angriff der Russen, Gegenangriff von uns.
23.11.
Mein Zug erhält 7 Gebirgsjäger (prima Wildschützen) als Ersatz. In 150 km Breite Entlastungsangriff bis Kasatschje. Wieder requiriere ich Vieh und treibe es zurück zu unseren Stellungen.
2.12.
Wir helfen der Nachbarkompanie bei einem Feindangriff, um 3:40 Uhr ist bei mir der Teufel los. Ich erwache über MG-Feuer, die Kugeln peitschen durch die Lehmwände, bis auf 30 m sind die Feinde ran, Handgranaten fliegen vor´s Haus. Mein Zug ist in wilder Flucht zurück. Ich hole die Männer ein, zwinge sie zu einer Abwehrstellung und dann erobern wir unsere Stellungen im Dorf zurück. 100 Russen haben angegriffen.
5.12.
Ein Ruhmestag meines Zuges. Um 6 Uhr ruft das Batl. in Gostitschewo um Hilfe, starke Angriffe der Russen. Vor Gostitschewo stoßen wir auf 300 Russen mit MG und SMG, die bis auf 30 m rankommen. Im Nahkampf mit aufgepflanztem Bajonett springe ich mit 2 Gruppen des Zuges vor, erstürme im Kugelhagel ein SMG und hinein nach Gostitschewo. Der Russe sammelt, macht einen Gegenstoß, wir jagen ihn weit über den Donez hinaus bis Ssiwerskoje und Oskotschnoje. 1.000 Russen hatten das Batl. mit Minenwerfern, Pak angegriffen und viele Tote, die PAK und SMG verloren. Ich einen Freund, Uffz. Sperling. Wir leiden sehr unter Erfrierungen und Läusen.
6.-9.12.
Dauernd Spähtrupp und Sicherung. Am 9. übergeben wir die Stellungen an die Ablösung, wir sind körperlich und mit den Nerven fertig.
10.12.
Wir marschieren über Gostitschewo nach Ternowka.
11.12.
Die Division zieht nach Charkow, unser Regiment in Richtung Kursk.
13.-17.12.
Über Obojan marschieren wir bis Medvenka und Kursk (Stadt mit 130.000 Ew., Straßenbahn fährt nicht, aber Bahn nach Orel).
18.-20.12.
Mit der Bahn in Viehwagen nach Smjevka, 40 km vor Orel. Dann 12 km Marsch nach Osten bis an den Nedrucz (Auffangstellung).
21.-23.12.
40 km bei Schnee und Eis über Ragusew nach Milawoje. Ich mache im Schneesturm mit 2 Gruppen auf Schlitten einen Spähtrupp nach Nikolowka und Feodorowka, wo wir starkes Feuer bekommen.
24.12.
Kaum Worte zu finden, was die Heilige Nacht uns brachte. Um 5 Uhr trat die Kompanie zum Angriff auf Feodorowka an, sollte den Gegner herausfordern, um dem um 7 Uhr angreifenden Batl. Feuerschutz zu geben. Bereits um 6 Uhr lagen wir im Gefecht. Von allen Seiten gab es Feuer, unsere Art. schießt zu kurz und unser Batl. hat sich verspätet. Die Russen sind bis auf 50 m ran, ich habe nur noch 2 Schuß im Gewehr, die MG nur noch einen Gurt. Ich schieße kniend, da, ein Schlag an der linken Arschbacke, der mich fast umreißt (ein Schuß ging durch das gefrorene Fleisch im Kochgeschirr, sonst wär´s ein Unterleibsschuß gewesen). Endlich kommt das Batl. und ohne Munition stürmen wir Feodorowka, bei zäher Gegenwehr der Russen. Mein letzter Uffz. Sbiersky fällt. Unsere Kompanie bleibt dann allein im Dorf zurück. Wir sitzen in Kellern bei Kartoffeln, Brot und Wasser. Da bricht um 18 Uhr die Hölle los. 10, 12, 16 Detonationen der Stalinorgel unmittelbar vor mir, ich klebe am ganzen Körper schlotternd an einem Holzbalken, noch nie erlebte ich so etwas. Dann von Westen ein massierter Angriff der Russen, wir sind umgangen. Wir türmen auf das III. Batl. zu, beinhart sind Stiefel, Socken und Handschuhe gefroren. So wird aus der Nacht Heiliger Tag - aber ich habe überlebt.
25.12.
Um 3 Uhr früh geht es bis Feodorowka. Wieder greifen starke Russenverbände von Osten her an. Der Kompaniechef verwundet, SMG fällt aus, wir müssen zurück. Vor Nikolajewno bringe ich den Zug zum stehen, wir erhalten Muni und gehen wieder vor. Da hauen vor mir die Geschosse der Stalinorgel ein. Ich laufe auf Feodorowka zu, den Russen fast in die Hände.
26./27.12.
Wir liegen bei Turawecz beim Batl., empfangen Verpflegung. Die Kompanie ist nur noch 50 Mann stark (anstatt 130), wir ziehen uns nach Südwest zurück, treffen auf SS und Panzerjäger. Wir sind endlich Reservekompanie, 2 km hinter der Front.
30./31.12.
Es gibt Alarm. Wir hauen die Russen in den Morgenstunden des Sylvestertages aus den Stellungen und Häusern. So endet dieses Kriegsjahr. Trotz aller Gefahren, Not und Strapazen habe ich Glück gehabt. Ich lebe.

1942:
1.-8.1.
Starke Kälte (-42°). Bunkerbau an der Hauptkampflinie, viele Erfrierungen, ich an Nase, Ohr, Zehen und Fersen, der Zug ist nur noch 15 Mann stark.
9.1.
Stoßtrupp mit meinem Zug zum Trudyfluß.
15.1.
Ich erhalte das EK I als erster Uffz. im Batl., gleichzeitig ein Paar Ski.
22.-27.1.
Ich leite einen Skilehrgang im Batl.
28.1.
Stoßtrupp ins Trudytal. Wir vertreiben die Vorposten aus ihren Stellungen, sprengen Bunker und Häuser.
9.-13.2.
Angriffe der 1. sibirischen Lenin-Garde-Division. Der Angriff wird mit 300 Toten und 50 Gefangenen der Russen zurückgewiesen.
17.2.
Unsere Bude brennt ab. Ich erhalte das Infanterie-Sturmabzeichen. Wir werden in Smjevka verladen, fuhren 30 km von Kozlowka, ich lief auf Skiern.
23.-27.2.
Mit der Bahn bis vor Kursk. Entlausen, baden.
9.3.
Wir erhalten 4 Uffz. und 50 Mann Ersatz.
11.-13.3.
Über Sumy werden wir nach Dergatschi, 13 km vor Charkow gefahren und mit LKW sofort weiter in Richtung Woltschansk bis Wesseloje.
13.-16.3.
Wir haben die Aufgabe, den Durchbruch der Russen auf Charkow zu verhindern. Schwere Artillerie- und Tieffliegerangriffe bei Tag und Nacht, starke Ausfälle durch Erfrierungen. Die Russen sind bis auf 30 m an die Nachbarkompanie ran. Ich erhalte Auftrag zum Flankenangriff mit 2 Panzern. Die Sprenggranaten der Panzer richten ein Blutbad an, Körperteile und Waffen fliegen durch die Gegend, die Mulde vor der Nachbarkompanie ist übersät von Toten; wir wehren den Entlastungsangriff einer Sowjetkompanie ab. Diese hat über 100 Tote, 40 Gefangene (darunter 1 Offizier und ein Kommissar), wir erbeuten 1 SMG, 1 Granatwerfer, 3 Panzerbüchsen und eine Menge Gewehre. Ich breche danach ein paar mal zusammen (Schwächeanfälle), komme zurück zum Troß in Ternowaja. Der Russe ist aber dort durchgebrochen, überall knallt es.
17.3.
Schnellfeuergeschütze, Stalinorgel und Flieger beschießen uns ständig, der Russe war mit 2 Regimentern in unserem Rücken. Ich gehe nach vorne zu meinem Zug.
20.3.
Spähtrupp mit 2 Panzern bis vor die russischen Linien. Starkes Artilleriefeuer und Angriffe der Russen mit großen Verlusten für diese in den nächsten 3 Tagen, starke Bewegung bei den Russen.
24.3.
Morgens greifen 50 Panzer und 2 Angriffsbatl. der 75. Inf. Division Bairak an und nehmen es. Ich war mit meinem Zug in einem Waldgefecht beteiligt. Eine Unmenge Panzer, Geschütze, Mörser, Pak und Zugmaschinen erbeutet. Wir sichern Bairak gegen Nordost, die Panzer stoßen zum Donez vor.
25.3.
Wir gehen vor zur Verbindungsaufnahme und Lückenfüllung. In einer Schlucht stehen 20 russ. Geschütze feuerbereit, vom Ostrand der Schlucht greift der Russe mit 2 Batl. und 6 Panzern an. Unsere Panzer zerhauen 4 der Beutegeschütze und gehen zurück, wir halten die Schlucht mit 35 Mann. Die russ. Panzer sind an uns rangekommen, wir müssen zurück zu den 5 Häusern von Andrewka. Eines wird zerschossen, die anderen brennen, unsere Pak hat keine Munition mehr, die russ. Panzer sind ran. Eigenes Art.-Feuer bringt bei einem von mir nur 4 m entfernten Einschlag 4 Tote 5 Verletzte. Ich hatte zum Glück den Stahlhelm auf, die Splitter klirrten um mich.
27.3.
Wir haben Verluste durch Granatfeuer. Um 23 Uhr werden wir zu neuem Einsatz abgelöst.
28.3.
Wir rücken im Eiltempo nach Wiknina vor, kommen nur bis zu den Windmühlen am Ortsrand und liegen unter fürchterlichem Beschuß. Unsere Stukas fliegen Angriff auf Angriff, trotzdem greift der Russe im Masseneinsatz mit Ari- und Panzerunterstützung an.
29.3.
Am Palmsonntag um 19 Uhr hat´s mich erwischt. Ich schlief etwas im Kompaniegefechtsstand, einem alten Kuhstall. Ich wache auf durch eine Detonation, sehe Feuer vor meinen Augen, werde ausgehoben und auf die Erde geschleudert, spüre einen wahnsinnigen Schmerz in der linken Hand die ich vor dem Kopf liegen hatte, außerdem Schmerzen und Stiche in der linken Schädeldecke, taumle durch ein Gewirr von Balken und Dreck auf - ein Granatvolltreffer, ich lag im toten Winkel. Ein Pioniersani verbindet mich im Feuerhagel. Abschied vom Komp. Chef und 5 Alten aus Czenstochau. Die Kompanie ist nur noch 26 Mann stark. Mit Versorgungsschlitten geht es bei Schneetreiben über Bairak nach Ternowaja, am nächsten Tag nach Wesseloje zum Hauptverbandsplatz und anschließend im Sanka nach Charkow ins Lazarett. Diagnose: der kleine Finger gespalten, der Ringfinger durchschlagen, im Handrücken Mittelhandknochen gespalten, die Hand wie ein Buchten geschwollen. Anstatt Schneebunker und Kuhstall ein warmes Bett, Gulasch, Kuchen und Bohnenkaffee - und draußen liegen 10 cm Schnee.
7.-11.4.
Im Lazarettzug geht es über Poltawa, Krementschug, Berditschew, Dubno, Werba, Kozin, Lemberg, Przemysl nach Lublin. Dort treffe ich Thomala von meinem Zug der berichtet, daß 3 Tage nach meiner Verwundung fast alle von meinem Zug gefallen oder verwundet sind.
13.4.
Über Deblin, Radom, Kielce, Sosnowitz, Kattowitz, Heydebreck, Breslau, Sagan, Magdeburg, Goslar, Hameln nach Bad Pyrmont, wo wir am 15.4. ins Blumenhaus der Pension Buchinger kommen. Ein sonniges Zimmer, gutes Essen, fließend Wasser, weiche Betten - wie ein Märchen nach fast 10 Monaten Fronteinsatz in Rußland.
18.4.
Bis zum 25. August, meiner Entlassung aus dem Lazarett / Heimaturlaub.
20.9.
Bin wieder in meiner alten Garnisonstadt Lauban.
27.10.
Wir rollen mit Rekruten nach Westen, durchs Lahntal, Koblenz, Trier nach Frankreich nach Schloß Rentilly, 25 km vor Paris.
2.11.
Paris besichtigt. Das möchte ich im Frieden sehen.
4.11.
Versetzt nach la Berengére.
13.11.
Lagny sur Marne, 18.11. Chateau Pomponne.
21.11.
Gien (Loire) und weiter der Loire nach Nimes und zurück nach Gien zur Bewachung von Munition und Verpflegung.
23.11.
St. Brisson, wir liegen in einer alten Burg.
30.11.
St. Firmin sur Loire.
4.-7.12.
Über Bourges, Vierzon, Limoges, St. Junien nach le Vigeant im bisher nicht besetzten Frankreich. Wir entwaffnen das Art. Regt. 72, mitten im Barackenlager 12.000 Granaten. Es kommen neue Rekruten, die Kompanie ist 250 Mann stark.

1943:
8.1.
Ich kann mir nochmals Paris, aber auch Tours und Poitiers mit seinen Baudenkmälern aus der Merowingerzeit ansehen.
14.1.-4.2.
Heimaturlaub. Dann nach Les Sables d´Olonne. Ich übernehme den Stützpunkt Landau im Palazzo Clementina, einer Villa direkt an der Strandpromenade. Im Bunker 1 Kanone und 1 SMG.
1.3.
Ich wurde strafversetzt (ich hatte den Befehl nicht befolgt, die Rekruten jeden Tag im Meer waschen zu lassen) zum Stützpunkt Köln, einem Bunker mitten in der Sandwüste eines alten Truppenübungsplatzes. Wir bauen den Stützpunkt weiter aus.
20.4.
Tolle Luftangriffe der Alliierten auf St. Gilles sur Vie, Croix und La Rochelle.
Mai
Wir sprengen alte franz. Bunker mit herumliegenden Granaten, leben zusätzlich von geschossenen Enten, Hühnern und von Karpfen, die wir mit Handgranaten in den Teichen erlegten.
Juni
Abgelöst. Wir kommen nach Chaillé les Marais zwischen Lucon und Rochelle, 40 km von der Küste weg.
27.6.-18.7.
Dienstreise nach Hagenau, anschließend Urlaub.
August
Sonderurlaub nach Neutitschein.
September
Ich habe wieder einen Zug, es geht an die Küste nach La Faute, Aiguillon. Abends gerate ich in ein Minenfeld, latsche auf eine Leuchtmine.
1.10.
Zum Feldwebel befördert.
November
Bourgneuf. Wir übernehmen die Küstenverteidigung längs der Insel Noirmoutier.
Dezember
Machecoul. Ich bin zum Batl.Stab als Ia Pi, Ia Meß- und Festungsbauoffz. abkommandiert. Ausbau von Stellungen.
Weihnacht
Heimaturlaub, in Ffm. ein Fliegerangriff.

1944:
Jänner
Herrliches Offz.-Quartier in einem Patrizierhaus. Fahre oft mit dem Wagen des Kommandeurs auf der Flutstraße nach Noirmoutier und an der Küste von Pornic bis Fromentine. Die Stützpunkte Aachen bis Dessau unterstehen mir.
Feber
Heimaturlaub nach Ffm. und Neutitschein. Seit Monaten wehre ich mich Offizier zu werden.
April
Panzersperren gebaut, große Übungen, Besuch von 5 Generälen. Ich werde zum Fahnenjunker (Offz.-Anwärter) ernannt und auf Kriegsschule abkommandiert. Zu Ostern Heimaturlaub.
Mai
Lauban.
Juni
Hagenau, Kriegsschule IX für Fahnenjunker. Bei einer Übung kriege ich mit General Raegener Krach. Ob ich Offz. werde?
1.9.
Zum Leutnant befördert. 15.9. Lauban, Einsatzurlaub.
1.10.
Breslau, warte auf neuen Einsatz. Fahre als Offz. schwarz über Oderberg nach Neutitschein. Dort nur 1 Stunde nachts Aufenthalt.
3.10.
Auf dem Weg zu Oberbefehlshaber West in Koblenz.
7.10.
Von Bendorf/Rhein gings bei einem Tieffliegerangriff nach Straßburg und weiter in die Vogesen nach St. Dié. Erhalte Nachricht, daß viele Offz. und Uffz. vor der Atlantikküste gefallen oder schwer verwundet sind.
9.10.
Mühle in Fremifontaine an der Mortagne, bin Ordonnanzoffz. Batl.
10.-13.10.
Verbindung mit Stützpunkten aufgenommen. Tag und Nacht schweres Art.-Feuer im Mortagnetal. Wir holen einen Neger vom Mühlenboden, er leitete das Feuer der US-Artillerie.
14./15.10.
US-Panzer und Infanterie überrennen unseren Zug an der Bahnlinie. Ich soll Verbindung aufnehmen, da kommen 10 Mann zurückgelaufen, vorne ist alles tot. Ich mache einen Gegenangriff mit 10 HJ-Jungen und einem Uffz. Im Wald erhalte ich eine Garbe aus einer Maschinenpistole in den linken Unterarm, gehe zurück zum Btl.Gefechtsstand. Mit 2 Kopfverletzten auf einem Pferdewagen im Granatfeuer auf dem Damm über die Mortagne und einen steilen Hohlweg hoch zum Truppenverbandsplatz. Von Les Rouges Eaux nach St. Dié, wo ich operiert werde.
20.10.
Reserve-Lazarett Asch, 2.11. Res. Lazarett Neutitschein. Operation.

1945:
Feber
Nach vorübergehendem Aufenthalt (schwarz) in Sternberg mit dem letzten Fronturlauberzug von Zauchtel nach Bad Nauheim. Liege im Luftwaffenlazarett Lw 5/XII im Kaiserhof. Operation. Erleben am Johannisberg schwere Luftangriffe auf Friedberg und Butzbach.
29.3.
US-Panzer und 2 US-Divisionen in Bad Nauheim. Ich hatte versucht, nach Osten durchzukommen, Gott sei Dank unmöglich.
Ostern
Wir sind im Lazarett Kriegsgefangene. Wie soll es weitergehen? Sorgen, die mich nicht loslassen. Der Ami ist in Gotha, Meiningen, Münster, die Russen sind in Preßburg und Wien sowie in Mähren.
13.4.
Es geht in die Kriegsgefangenschaft, 100 Mann auf einem LKW.
15.4.
Vom Aulatal über den Rhein nach Kreuznach. Auf freier Wiese bauen wir Erdlöcher und fressen Disteln und alles was grünt.
Über die Not und das große Sterben in diesem Lager und anschließend im Wald von Compiegne, in Attichy, Romilly sur Seine bis zur Entlassung in Mailly le Camp Anfang September mit 38 kg Lebendgewicht möchte ich nichts schreiben.

© Thomas Wilhelm Schwarzer, Friedberg in Hessen
Widmung meines Großvaters im Buch "Wachsen am Wunder" von Alexander von Bernus.

© Thomas Wilhelm Schwarzer, Friedberg in Hessen

Letzte Änderung am Dienstag, 24. Juni 2003.